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Gleichstellungsbüro der Stadt Göttingen
Hiroshimaplatz 1-4
37083 Göttingen
Telefon: (0551) 400-3305
Telefax: (0551) 400-2887
E-Mail: gleichstellungsbuero@goettingen.de
Was verbindet Anna Seghers, Therese Grube und Elsa Hoppe? Nach ihnen und nach 50 weiteren Frauen sind Göttinger Straßen benannt: Frauen, die in Göttingen gelebt haben, oder deren Wirken in Deutschland und der Welt so bedeutend war, dass auch in Göttingen an sie erinnert werden soll.
Die Broschüre des Gleichstellungsbüros der Stadt Göttingen informiert auf 85 Seiten über das Leben dieser Pionierinnen, Wohltäterinnen und Vorkämpferinnen, und bietet anschauliche Einblicke in deren Leben und Wirken.
Neue Frauen auf den Göttinger Straßen(schildern)!
Seit Veröffentlichung der Broschüre im Jahr 2019 ist viel passiert! Gleich acht Straßen wurden neu benannt und tragen nun die Namen von wichtigen Frauen aus der Göttinger Stadtgeschichte. Unter anderem wurden im neuen Stadtteil Grüne Mitte Ebertal gleich sieben Straßen nach wichtigen Göttingerinnen benannt. Auch diese Frauen sollen hier nun vorgestellt werden.
Margit Göbel
Margit Göbel
1963 Aschaffenburg
2015
erste Vorsitzende einer Stadtratsfraktion
Margit-Göbel-Weg
beschlossen: 16.04.21
Margit Göbel (1963 -2015) war die erste Frau, die den Vorsitz einer Stadtratsfraktion (Bündnis 90/Die Grünen) im Rat der Stadt Göttingen übernahm. Die Diplom-Biologin aus Aschaffenburg engagierte sich seit den 1990er-Jahren für Grüne Politik. Ihre politischen Schwerpunkte lagen im Bereich Umweltschutz und Gleichstellung von Frauen und Männern. 1996 wurde sie in den Rat der Stadt gewählt und im Jahr 2000 übernahm sie den Fraktionsvorsitz. 2003 legte Göbel ihr Mandat nieder und wurde persönliche Mitarbeiterin der Europaabgeordneten Rebecca Harms in Brüssel. Zurück in Göttingen wurde Frau Göbel, 2011 erneut in den Rat der Stadt Göttingen gewählt und war trotz schwerer Krankheit bis zu ihrem Tod hier politisch aktiv.
Marie-Luise Ahrens
Marie-Luise Ahrens
1936
1994
erste Frau als zweite Bürgermeisterin Göttingens
Marie-Luise-Ahrens-Weg
beschlossen: 16.04.21
Dr. Marie-Luise Ahrens (1936 – 1994) studierte und promovierte in der physikalischen Wissenschaft und arbeitete am Max-Planck-lnstitut für biophysikalische Chemie, Göttingen. 1963 trat sie in die SPD ein und übernahm den stellvertretenden Vorsitz des Stadtbezirks Leineberg. 1986 erfolgte die Wahl in den Rat der Stadt Göttingen. Ab November 1986 gehörte Dr. Marie-Luise Ahrens als erste Frau in Göttingens Geschichte als zweite Bürgermeisterin dem damaligen Ratspräsidium an.
Meta Kamp-Steinmann
Meta Kamp-Steinmann
geb. Wahle
24.07.1907 Göttingen
24.07.1999 Göttingen
Gerechte unter den Völkern
SPD-Politikerin
Meta-Kamp-Steinmann-Straße
beschlossen: 16.04.2021
Meta Kamp-Steinmann stammte aus einem sozialdemokratischen Elternhaus und war Weißnäherin. 1927 heiratete sie und verwaltete mit ihrem Mann das Naturfreundehaus am Steinberg im Kaufunger Wald. 1928 kehren sie nach Göttingen zurück und bekamen drei Kinder. Auf den weiterhin besuchten Wochenendtreffen der Naturfreunde im Steinberghaus lernte sie Hedwig Gerke kennen. Beide gehörten später zur sozialistischen Gruppe „Bund. Gemeinschaft für sozialistisches Leben“. Im Sommer und Herbst 1943 und im Sommer 1944 versteckten Hedwig Gerke und Meta Kamp-Steinmann die junge, untergetauchte Jüdin Marianne Strauß einige Wochen in ihren Wohnungen in Göttingen. Ihre Ehemänner waren nicht in Göttingen.
Marianne Strauß, später Ellenbogen, (1923-1996) war es 1943 in Essen gelungen, der Deportation ihrer Familie zu entfliehen. Sie hielt sich bis Kriegsende bei Angehörigen des „Bundes“ in verschiedenen Städten versteckt – immer nur für drei Wochen an einem Ort, ohne Ausweis, ohne Lebensmittel- und Kleiderkarten, von der Gestapo gesucht. Marianne Strauß überlebte die Nazizeit, heiratete einen britischen Besatzungsoffizier, einen jüdischen Arzt, und lebte seit 1946 in England.
Meta Kamp-Steinmann versteckte im April/Mai 1945 ihren verwundeten 16-jährigen Sohn in Nikolausberg, um dessen Rückkehr an die Front zu verhindern. Nach der Befreiung engagierte sie sich in der SPD, sie leitete die SPD-Frauengruppe Göttingen. Von 1956 bis 1964 war sie Mitglied im Stadtrat Göttingen.
2004 wurde Meta Kamp-Steinmann mit Hedwig Gerke und anderen Bund-Angehörigen von Yad Vashem posthum als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Diese höchste Auszeichnung des Staates Israel für Nicht-Juden und -Jüdinnen wird für die Hilfe verliehen, die jüdischen Menschen während der Zeit des Holocaust unter Einsatz des eigenen Lebens gewährt wurde.
Edith Scheithauer
Edith Scheithauer
1925
2013
erste Bürgermeisterin Göttingens
Edith-Scheithauer-Weg
beschlossen: 16.04.21
Dr. Edith Scheithauer, geb. Manneck (1925 – 2013) studierte Germanistik und Geschichte in Jena und Leipzig, promovierte 1955 in Leipzig und wurde später Gymnasiallehrerin. 1964 ließ sie sich vom Corvinianum in Northeim zum Hainberg Gymnasium Göttingen versetzen. Ab 1982 engagierte sich Edith Scheithauer als Mitglied der CDU in der Göttinger Kommunalpolitik hier insbesondere in der Schul- und Kulturpolitik. 1986 wurde Sie in den Rat der Stadt Göttingen gewählt. Ab 1991 bis zu ihrem Mandatsverzicht im Jahre 2000 bekleidete Edith Scheithauer den Posten als erste Bürgermeisterin. Insbesondere in den letzten Jahren ihrer Ratsarbeit hat sie sich zunehmend für frauenpolitische Themen engagiert.
Luise Stegen
Luise Stegen
geb. Lottmann
02.09.1871 Lamspringe
23.03.1953 Göttingen
Abgeordnete im Göttinger Bürgerkollegium
Luise-Stegen-Weg
beschlossen: 16.04.2021
Luise Stegen war verheiratet mit Wilhelm Stegen, dem Vorsitzenden des Ortsvereins der SPD. Sie war seit 1908 SPD–Parteimitglied und engagierte sich ehrenamtlich im Deutschen Hilfsdienst während des Krieges. Im Jahr 1919 wurde sie zusammen mit Henriette Lehmann, Elisabeth Freitag-Winter und Dorothea vor Mohr als eine der ersten Frauen als Abgeordnete in das Göttinger Bürgersteherkolloquium gewählt. 1920 wurde sie Vorsitzende des inoffiziellen Ausschusses für Arbeiterwohlfahrt, 1922 Vorsitzende der Frauenkommission des SPD-Ortsvereins. 1924 übernahm sie die Leitung des Frauentages des SPD-Unterbezirks. 1924 fusionierte die Frauenkommission mit der Frauenarbeitsgemeinschaft zur sozialistischen Frauengruppe. Sie organisierte traditionelle Nähabende im Jugendzentrum in der Jüdenstraße 39. 1926 wurde Luise Stegen Vorsitzende des Ortsausschusses für Arbeiterwohlfahrt. Sie war Mitorganisatorin des vierten Frauentages des Unterbezirks in Northeim mit der Gastrednerin Marie Juchacz, Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin, die 1919 als erste Frau eine Rede in der Weimarer Nationalversammlung hielt und die Arbeiterwohlfahrt mitbegründete und bis 1933 leitete. 1929 bereitete Luise Stegen den siebten Frauentag der SPD Südhannover mit vor, dessen Gastrednerin Elisabeth Kirschmann-Roehl, Köln, die Schwester von Marie Juchacz, war. 1930 gelang ihr trotz der Weltwirtschaftskrise ein erfolgreicher Jahresabschluss des Ortvereins für Arbeiterwohlfahrt.
Elisabeth Selbert
Dr. Elisabeth Selbert
geb. Rohde
22.09.1896 Kassel
09.06.1986 Kassel
Rechtsanwältin, SPD-Politikerin
Elisabeth-Selbert-Platz
beschlossen: 16.04.2021
Dr. Elisabeth Selbert besuchte verschiedene Schulen: die Volksschule, die Mädchen-Mittelschule und die Gewerbe- und Handelsschule des Kasseler Frauenbildungsvereins. 1918 trat sie in die SPD ein und war von 1919 bis 1925 Teil des Gemeindeparlament Niederzwehren im Kreis Kassel. Nach ihrem Abitur 1926, studierte sie Jura in Marburg und ab 1928 in Göttingen. Nach ihrem ersten juristischen Staatsexamen promovierte sie 1930 in Göttingen mit dem Thema „Ehezerrüttung als Scheidungsgrund“. Ihr Referendariat leistete sie in Kassel ab. 1933 kandidierte sie für die Reichstagswahl. Ihr Mann wurde 1933 entlassen, verhaftet und wieder freigelassen. Nachdem sie 1934 ihr 2. juristisches Staatsexamen absolvierte, wurde sie zur Anwaltschaft zugelassen und eröffnete eine Kanzlei. Ab 1945 setzte sie sich aktiv für den Wiederaufbau der SPD ein und war von 1946 bis 1958 Mitglied im hessischen Landtag. Parallel dazu war sie von 1946 bis 1952 Stadtverordnete in Kassel, 1946 bis 1955 Mitglied des erweiterten Parteivorstandes der SPD, u.a. Mitglied seines Ausschusses für Frauenfragen, und von 1948 bis 1949 Mitglied des Parlamentarischen Rates. Selbert vertrat den Antrag „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ und erreichte damit die Verankerung im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. 1956 erhielt sie das Große Bundesverdienstkreuz. Seit 1983 wird der Elisabeth-Selbert-Preis der hessischen Landesregierung verliehen. 1984 wurde sie zur Kasseler Ehrenbürgerin.
Mehrere Straßen wurden nach Elisabeth Selbert benannt, u.a. in Berlin, München, Kassel.
Henriette Lehmann
Henriette-Lehmann-Straße
beschlossen: 16.04.21
Henriette „Henni“ Lehmann entstammte einer jüdischen Berliner Familie. Sie war eine politisch und sozial engagierte deutsche Künstlerin und Autorin. Bis zum Umzug der Familie nach Göttingen im Jahr 1911 war Henni Lehmann Vorsitzende des Rostocker Frauenvereins. Während des Ersten Weltkriegs war sie Leiterin der Göttinger Abteilung des Nationalen Frauendienst (NFD) innerhalb des Vaterländischen Kriegshilfsdienstes. Nach dem Tod ihres Mannes 1918 zog sie nach Weimar. Im Jahr 1919 wurde sie zusammen mit Luise Stegen, Elisabeth Freitag-Winter und Dorothea vor Mohr als eine der ersten Frauen als Abgeordnete in das Göttinger Bürgersteherkolloquium gewählt. 1922 etablierte sie in Vitte auf Hiddensee, wo sie seit 1907 regelmäßig im Sommer zu Gast war, einen Künstlerinnenbund. Das Henni-Lehmann-Haus existiert bis heute. Ab 1921 veröffentlichte sie drei sozial engagierte Romane. Ab 1933 wurde sie von den Nationalsozialisten verfolgt und nahm sich deshalb 1937 das Leben.
Inge Feltrinelli
Inge Feltrinelli
geb. Schönthal
24.11.1930 Essen
20.09.2018 Mailand
Fotografin und Verlegerin
Inge-Feltrinelli-Platz
beschlossen: 16.07.21
Inge Feltrinelli lebte von 1938 bis 1952 in Göttingen. Hier ging sie unter anderem zusammen mit dem früheren Bürgermeister Wilhelm Gerhardy auf das Hainberg-Gymnasium, welches sie kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges wegen des jüdischen Glaubens ihres Vaters, der 1938 in die Niederlande emigriert war, verlassen sollte. Ihre Fotos in den 50er-Jahren wurden weltweit bekannt, insbesondere die von Ernest Hemingway auf Kuba, wo sie im Auftrag des Rowohlt-Verlages als eine der ersten Fotoreporterinnen tätig war. Im Laufe ihrer internationalen Karriere fotografierte sie unter anderem Pablo Picasso, John F. Kennedy, Marc Chagall, Allen Ginsberg, Simone de Beauvoir, Peter Handke, Fidel Castro und Gary Cooper. 1958 lernte sie ihren späteren Mann, den Verleger Giangiacomo Feltrinelli kennen und führte dessen Verlag nach dessen Tod 1972 bis 2018 erfolgreich als Verlegerin weiter. 2010 zeigte der Fachdienst Kultur eine Retrospektive ihrer Arbeiten im Alten Rathaus und Gerhard Steidl brachte 2013 einen weit beachteten Katalog heraus. Inge Feltrinelli erhielt viele internationale und nationale Ehrungen und Auszeichnungen. So wurde ihr unter anderem 1999 das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen. 2011 wurde Inge Feltrinelli mit der Karlsmedaille für europäische Medien ausgezeichnet.
Mehr Frauen auf die Göttinger Straßen(schilder)
Die hier bereits vorgestellten Frauen sind bei weitem nicht die einzigen, die die Göttinger Stadtgeschichte geprägt haben. Deshalb heißt es: Wir brauchen mehr Frauen auf den Göttinger Straßen(schildern)! Es folgt deshalb eine Liste mit Vorschlägen, die bei zukünftigen Straßen(um)benennungen in Göttingen berücksichtigt werden können.
Für eine Straßenbenennung nach einer bestimmten Frau oder einer Gruppe von Frauen gibt es verschiedene Beweggründe.
Die Stadt kann so
Die hier vorgestellten Frauen lassen sich in mindestens eine dieser vier Kategorien einordnen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Geschichte der Georg-August-Universität Göttingen.
Elise Bartels
Elisa Bartels absolvierte eine Stickerinnenlehre und war später als Fabrikarbeiterin tätig. Mit der Reform des Vereinsrechts 1908 trat sie in die SPD ein. Sie war in der sozialdemokratischen Kinder-, Jugend- und Frauenarbeit aktiv und seit 1915 in der Gewerkschaftsarbeit. 1919, bei der ersten Wahl mit aktivem und passivem Frauenwahlrecht, wurde sie ins Bürgervorsteherkollegium in Hildesheim gewählt. Elisa Bartels war außerdem Mitbegründerin der AWO in Hildesheim. Von 1922 bis zu ihrem Tod 1925 war die Reichstagsabgeordnete für den Wahlkreis Südhannover-Braunschweig, zu dem Göttingen gehörte. Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit waren die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Reform des Fürsorgewesens. In ihrem Wahlkreis hielt sie zahlreiche Versammlungsreden, in Grone, Geismar und im Göttinger Volksheim referierte sie 1924 u.a. zum Thema „Die Frau und der neue Reichstag“.
Die Stadt Hildesheim würdigt seit 2010 Elise Bartels im Rahmen des Projektes frauenORTE Niedersachsen.
Elise Bürger
Als junges Mädchen verfasste sie erste Gedichte und Romanzen. Ein Huldigungsgedicht an den Dichter Gottfried August Bürger gelangte in dessen Hände und veranlasste ihn, um sie zu freien. Bürger, der vor dem Tod seiner ersten Frau in einer Dreiecksbeziehung mit deren Schwester gelebt hatte, war zum zweiten Mal verwitwet. Obwohl Elise Hahn sein Ansinnen bereits schriftlich abgelehnt hatte, heirateten die beiden 1790 in Stuttgart. Sie zogen dann nach Göttingen ins Hinterhaus der Paulinerstr. 20 und bekamen einen Sohn. Die junge Elise Bürger war lebhaft und gesellig, und bald klagte Bürger sie der Untreue an. Statt den Vorwurf zu entkräften, zog sie es vor, schuldig, aber dafür zügig geschieden zu werden. Sie verlor ihre Mitgift und es war ihr nicht gestattet, erneut zu heiraten. Sie ging nach Leipzig und lernte die Schauspielkunst. Ihren Sohn zog dessen Pate Prof. Dr. Christoph Althof auf, der ihr auch in der Folgezeit mit Wertschätzung gegenübertrat. Andere Göttinger verurteilten den Lebenswandel Elise Bürgers, die sich eine eigene Existenz als Schauspielerin und Rezitatorin aufbaute. Außerhalb Göttingens wurde sie als Künstlerin geachtet.
Polyxena Christiane Auguste Büsching
Polyxena Christiane Auguste Dilthey wurde durch ihren Verlobten Prof. Anton Friedrich Büsching (Geograph, Theologe, Philosoph) in die bürgerlichen Kreise Göttingens eingeführt. 1751 erschien ihr erstes Werk „Proben poetischer Übungen eines Frauenzimmers“ (Hamburg). Im gleichen Jahr wurde sie Ehrenmitglied der Göttinger Deutschen Gesellschaft, die von 1738 bis 1792 bestand und kulturpatriotisch motiviert auf die Entwicklung des Deutschen als Kultur- und Standardsprache zielte. Die Deutsche Gesellschaft stand in enger personeller Verbindung zur jüngst gegründeten Universität; angesehene Sprachgelehrte, Schriftsteller, Erzieher und Dichter waren darin versammelt. Polyxena Dilthey war das neunte weibliche Ehrenmitglied in Göttingen, das für seine Dichtkunst oder gelehrte Werke geehrt wurde. Sie war eng befreundet mit der Poetin und Philosophin Johanne Charlotte Unzer, auf deren Fürsprache sie 1753 von der Universität Helmstedt zur kaiserlich gekrönten Poetin ernannt wurde. Etwa 1762 zog Polyxena Büsching nach St. Petersburg. Die russische Kaiserin Katharina II. ließ sich aus Büschings Gedichten vorlesen und fragte sie nach ihrer Meinung über eigene Werke. 1766 ging es nach Berlin; beim Abschied schenkte die Kaiserin ihr „für 20 Liedchen“ einen Zobelpelz. Polyxena Büsching repräsentiert die gebildete Ehefrau aus dem Kreis der Göttinger Gelehrtenhaushalte. Ihr Sohn Johann Stephan Gottfried Büsching (1761-1833) war später langjähriger Oberbürgermeister von Berlin.
Grace Emily Chisholm Young
Grace Emily Chisholm Young studierte ab 1889 Mathematik am Girton College, einem Frauencollege in Cambridge. Auf Anraten von Andrew Forsyth wechselte sie zum Wintersemester 1893/94 nach Göttingen – zeitgleich mit Mary Winston aus Chicago und Margaret Eliza Maltby aus Ohio. Die drei Studentinnen waren die ersten, die in Preußen mit ministerieller Sondergenehmigung als Hospitantinnen studieren durften. 1895 promovierte sie in Göttingen bei Felix Klein, einem der frühen Befürworter des Frauenstudiums. Grace Emily Chisholm ist damit die erste Frau, die in Preußen nach einem Studium einen Doktor in Mathematik erwarb. 1895 kehrte sie nach England zurück und heiratete den Mathematiker William Henry Young. 1897 gingen sie gemeinsam erneut nach Göttingen, wo auch ihre sechs Kinder geboren wurden. Nachdem sie noch ein erfolgreiches Medizinstudium abgeschlossen hatte, forschten und veröffentlichten sie und ihr Mann gemeinsam- meist unter seinem Namen. Der inhaltliche Schwerpunkt lag dabei auf der Mengenlehre und deren Anwendung auf die Analysis. 1908 ging sie nach Genf, dann nach Lausanne und 1915 bekam sie den Gamble-Prize des Girton College in Cambridge. 1940 konnte sie von einer Reise nach England nicht nach Frankreich zurückkehren.
Hedwig Conrad-Martius
Hedwig Conrad-Martius
geb. Martius
27.02.1888 Berlin
15.02.1966 Starnberg
Philosophin
Hedwig Conrad-Martius war die Tochter des Medizinprofessors Friedrich Martius. Sie besuchte die Höhere Töchterschule in Rostock und belegte von 1903 bis 1907 Realgymnasialkurse in Berlin. Anschließend studierte sie Literaturwissenschaft in Rostock und Freiburg, dann Philosophie in München. 1911 nahm sie das Studium in Göttingen bei dem Phänomenologen Edmund Husserl auf. Hedwig Martius übernahm bald den Vorsitz der „Philosophischen Gesellschaft“. 1912, bei der Rektoratsfeier der Georg-August-Universität, wurde eine anonyme Preisschrift der Philosophischen Fakultät prämiert und der versiegelte Umschlag geöffnet. Zum allgemeinen Erstaunen enthielt er den Namen einer Studentin: Hedwig Martius. Dennoch wurde ihr die Promotion in Göttingen verweigert; in München dagegen konnte sie innerhalb von vier Wochen mit der prämierten Schrift „summa cum laude“ promovieren. Aus Geldmangel unterhielt sie mit ihrem Mann einige Jahre eine Obstplantage in Bergzabern: ein geschätzter Treffpunkt der phänomenologischen Szene. Seit 1920 verband sie eine Freundschaft mit Edith Stein. Im Jahr 1923 erschien Conrad-Martius zentrales Werk „Realontologie“; 1931 lehnte die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft ein Stipendium trotz hervorragender Empfehlungen ab. Weil sie ein jüdisches Großelternteil hatte, wurde sie 1933 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und bekam ein Publikationsverbot für Schriften von mehr als 20 Seiten auferlegt. Mehrere Habilitationsversuche scheiterten. Schließlich hatte sie 1945 die Altersgrenze zur Habilitation überschritten und erhielt 1949 eine unbezahlte Dozentur an der Universität München. 1955 wurde sie Honorarprofessorin ohne Besoldung in München und bekam 1958 das große Bundesverdienstkreuz.
Eva Ehrlich
Eva Ehrlich
04.06.1909 Breslau
vermutlich nach 1992 in Israel
Chemikerin
Bis 1928 besuchte Eva Ehrlich das Augustagymnasium in Breslau. Von 1928 bis 1930 studierte sie Chemie in Tübingen und München und ab 1930 schließlich in Göttingen. 1933 schloss sie ihre Promotion in Göttingen bei Prof. Thiessen im Bereich der anorganischen Chemie mit „sehr gut“ ab und war anschließend kurzzeitig dessen Assistentin. 1933 folgte die Rückkehr nach Breslau. Thiessen war überzeugter Nationalsozialist, es ist aber nicht nachweisbar, ob er seine jüdische Assistentin aus Göttingen verdrängte. Eva Ehrlich floh 1933 in die Niederlande und war dort 1933/34 an der Universität Utrecht tätig. 1934 emigrierte sie nach Palästina und arbeitete dort am Daniel Sieff Research Institute in Rehoboth. Ihr weiterer Werdegang ist unbekannt. 1992 füllte Eva Ehrlich einen Fragebogen für das Forschungsprojekt von Harriet Pass Freidenreich aus. Sie wird zitiert: „My grandmother went to synagogue and was involved in Jewish organizations, my mother observed the high holidays, we did not deny being Jewish.“
Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg
Die Markgräfin Elisabeth von Brandenburg-Hohenzollern heiratete mit 14 Jahren den Welfen Herzog Erich I. von Braunschweig-Lüneburg, der das Fürstentum Calenberg-Göttingen regierte. Zwischen 1526 und 1534 gebar sie vier Kinder. Zwischenzeitlich sah sie ihre Macht durch eine langjährige Mätresse ihres Mannes gefährdet und drängte darauf, diese Frau als Hexe zu verfolgen. 1540 starb ihr Mann, woraufhin Herzogin Elisabeth nun für den erst 12-jährigen Sohn Erich II. bis 1946 die vormundschaftliche Regierung in ihrem Fürstentum, das sich von der südlichen Residenz Münden bis nach Neustadt am Rübenberge nördlich von Hannover erstreckte und Göttingen mit einschloss, führte. Das Verhältnis der Göttinger Bürger zu dieser mächtigen Frau war gespalten. Sie versuchte, die zunehmenden Autonomiebestrebungen des Rates zu unterbinden (1545 Schließung des Pädagogiums). In Glaubensfragen kam es jedoch zur Übereinstimmung und Herzogin Elisabeth führte 1542 im gesamten Fürstentum die Reformation ein. Sie war eine der mächtigsten Frauen in deutschen Landen des 16. Jahrhunderts. Zu ihren wichtigsten Werken gehören unter anderem das Ehestandsbuch, das Trostbuch für Witwen und das Regierungslehrbuch für ihren Sohn, mit dem sie ihren Herrschaftsanspruch dokumentierte. Auf dem Einband zitiert sie Buch Esther 4(17) „Mardocheus ging hin und thet alles was im Ester geboten hatt“.
Marianne Ellenbogen
Marianne Ellenbogen
geb. Strauß
07.06.1923 Essen
22.12.1996 Liverpool
überlebte den Nationalsozialismus im Untergrund
In Essen aufgewachsen lebte Marianne Strauß dort auch noch 1933 bis 1943 mit ihrer Familie. Ihr Vater verfügte über wichtige Beziehungen ins neutrale Schweden. 1943 sollten sie als letzte sogenannte volljüdische Familie Essens von der Gestapo deportiert werden. In einem unbewachten Augenblick konnte Marianne Strauß auf die Straße fliehen und so der Deportation entgegen. Sie wandte sich an Artur Jacobs und seine Widerstandsgruppe „Bund. Gemeinschaft für sozialistisches Leben“, dem Marianne Strauß seit zwei Jahren über die Situation der jüdischen Familien berichtete. Mit 20 Jahren tauchte sie im nationalsozialistischen Deutschland unter und hielt sich bis Kriegsende bei Angehörigen des „Bundes“ in verschiedenen Städten versteckt – immer nur für drei Wochen an einem Ort, ohne Ausweis, ohne Lebensmittel- und Kleiderkarten, von der Gestapo gesucht. Die Sozialistinnen Hedwig Dietzel und Meta Kamp-Steinmann versteckten Marianne Strauß im Sommer und Herbst 1943 und im Sommer 1944 einige Wochen in ihren Wohnungen in Göttingen. Ihre Ehemänner waren nicht vor Ort. Marianne Strauß überlebte die Nazizeit, heiratete einen britischen Besatzungsoffizier, einen jüdischen Arzt, und lebte seit 1946 in England. 2004 wurden ihre Retterinnen von Yad Vashem posthum als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Diese höchste Auszeichnung des Staates Israel für Nicht-Juden und -Jüdinnen wird für die Hilfe verliehen, die jüdischen Menschen während der Zeit des Holocaust unter Einsatz des eigenen Lebens gewährt wurde.
Dorothea Erxleben
Dorothea Leporin erhielt gemeinsam mit ihrem Bruder Unterreicht in Naturwissenschaften, sowie praktischer und theoretischer Medizin durch ihren Vater, einem Arzt aus Quedlinburg. Dorothea Leporin bildete sich autodidaktisch weiter und praktizierte als Ärztin. 1741 wurde sie per königlichem Privileg zur Promotion an der Universität Halle zugelassen; wegen Heirat und der Geburt ihrer Kinder legte sie die Prüfung erst 1754 ab (summa cum laude). In ihrer Schrift „Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studieren abhalten“ argumentierte sie 1742 für die Zulassung von Frauen zu den Universitäten. Zur Georg-August-Universität gibt es indirekte Bezüge: Erxlebens Bruder studierte in Halle und Göttingen. Der Göttinger Gelehrte Johann David Michaelis, 1717 als Sohn eines Professors in Halle geboren, studierte ebenfalls in Halle. In Michaelis‘ 1747 anonym erschienener Schrift „Allerunterthänigste Bittschrift an Seine Königliche Majestät in Preussen um Anlegung einer Universität für das schöne Geschlecht“ verwies er auf die gelehrten Damen der Zeit, die an einer solchen Universität lehren könnten. Mit der von ihm erwähnten erfahrenen Medizinerin und Pathologin meinte er vermutlich die bekannte Ärztin Dorothea Erxleben. Er unterrichtete in Göttingen auch den Sohn Dorothea Erxlebens, den späteren Göttinger Prof. Dr. Johann Christian Polycarp Erxleben (1744-1777). Später als Dekan der Philosophischen Fakultät in Göttingen war er maßgeblich für Dorothea Schlözers Doktorprüfung 1787.
Das Land Niedersachsen ehrt die Wissenschaftlerin mit dem Dorothea-Erxleben-Programm. Die Universität Magdeburg vergibt eine Dorothea-Christiane-Erxleben-Gastprofessur. Das Klinikum Quedlinburg trägt ihren Namen.
Elisabeth Freitag-Winter
Elisabeth Freitag-Winter
05.11.1866 Northeim
Todesdatum unbekannt
Abgeordnete im Göttinger Bürgervorsteherkolloquium
Elisabeth Freitag-Winter wurde im Jahr 1919 zusammen mit Henriette Lehmann, Luise Stegen und Dorothea vor Mohr als eine der ersten Frauen als Abgeordnete in das Göttinger Bürgersteherkolloquium gewählt. Mehr ist über sie leider nicht bekannt.
Hedwig Gehrke
Hedwig Gehrke
geb. Dietzel
18.01.1914 Kassel
Februar 1998 Göttingen
Gerechte unter den Völkern
Hedwig Dietzel war bei den Kasseler Naturfreunden aktiv. Auf den Wochenenden im Naturfreundehaus Steinberg im Kaufunger Wald lernte sie Meta Kamp-Steinmann aus Göttingen kennen. Beide gehörten später zur sozialistischen Gruppe „Bund. Gemeinschaft für sozialistisches Leben“. 1938 zog sie nach Göttingen, heiratete und bekam drei Kinder. Im Sommer und Herbst 1943 und im Sommer 1944 versteckten Hedwig Gerke und Meta Kamp-Steinmann die junge, untergetauchte Jüdin Marianne Strauß einige Wochen in ihren Wohnungen in Göttingen. Ihre Ehemänner waren nicht in Göttingen. Marianne Strauß, später Ellenbogen, (1923-1996) war es 1943 in Essen gelungen, der Deportation ihrer Familie zu entfliehen. Sie hielt sich bis Kriegsende bei Angehörigen des „Bundes“ in verschiedenen Städten versteckt – immer nur für drei Wochen an einem Ort, ohne Ausweis, ohne Lebensmittel- und Kleiderkarten, von der Gestapo gesucht. Marianne Strauß überlebte die Nazizeit, heiratete einen britischen Besatzungsoffizier, einen jüdischen Arzt, und lebte seit 1946 in England. Hedwig Gehrke scheint nach der Befreiung 1945 über ihre Widerstandstätigkeit nicht gesprochen zu haben. 2004 wurde sie mit Meta Kamp-Steinmann und anderen Bund-Angehörigen von Yad Vashem posthum als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Diese höchste Auszeichnung des Staates Israel für Nicht-Juden und -Jüdinnen wird für die Hilfe verliehen, die jüdischen Menschen während der Zeit des Holocaust unter Einsatz des eigenen Lebens gewährt wurde.
Hanna Hafkesbrink
Hanna Hafkesbrink
28.06.1902 Koblenz
17.11.1996 Niantic/ Connecticut, USA
Germanistin, Historikerin
Hanna Hafkesbrink besuchte die Lehrerinnenbildungsanstalt in Koblenz, schloss 1923 das Lehrerinnenexamen und ein Jahr später ihr Abitur ab. An der Georg-August-Universität in Göttingen – und zeitweise auch in München – studierte sie ab 1925 Philosophie, Kirchengeschichte und Alte Geschichte. Sie promovierte 1930 bei Moritz Geiger in Göttingen und wanderte dann in die USA aus, wo sie ab September 1932 Assistentin am Deutschen Seminar des Connecticut College in New London, einer Hochschule für Frauen, war. 1934 wurde sie dort Assistent Professor for German Studies und 1936 Inhaberin des gleichnamigen Lehrstuhls, und somit zur Leiterin des Deutschen Seminars. 1967 emeritierte sie. In ihrem 1948 erschienenen Werk „Unknown Germany. An inner chronicle of the First World War based on letters and diaries“ veröffentlichte und analysierte sie Briefe, Tagebücher und Autobiographien von deutschen Soldaten des I. Weltkriegs und zeigte das „bessere Deutschland“. In „Deutsche erleben die Zeit 1914-1953“ publizierte sie Zitate deutscher Literaten. Ihr Ziel war die Völkerverständigung nach der Katastrophe des II. Weltkriegs.
In Deutschland wurde Hafkesbrink wenig rezipiert, ein Schicksal, das sie mit vielen Emigrantinnen teilt.
Uta Hagen
Uta Hagen war die Tochter der Opernsängerin Thyra Leisner und des Göttinger Dozenten für Kunstgeschichte Oskar Hagen, der 1920 durch seine Inszenierung der Oper „Rodelinde“ den Beginn der Göttinger Händel- Festspiele markierte. Da er 1924 einen Ruf nach Madison erhielt, wuchs Uta Hagen in den USA auf. Sie studierte Dramaturgie in London und wurde als Bühnenschauspielerin und Schauspiellehrerin berühmt. In über zwanzig Broadway-Produktionen spielte sie als gefeierte Diva – u.a. in Othello, Key Largo, Endstation Sehnsucht, Come Back, Die heilige Johanna und Wer hat Angst vor Virginia Woolf? Mit ihrem zweiten Mann Herbert Berghof betrieb sie die berühmte Schauspielschule HB-Studio; durch ihre Bücher hat sie bis heute großen Einfluss auf die Schauspielkunst. Faye Dunaway, Harvey Keitel, Liza Minnelli, Whoopi Goldberg, Robert De Niro, Al Pacino, Meryl Streep sind nur einige ihrer Schauspielschüler*innen.
Sie gewann zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem: zwei Tony Awards, den Tony Award für ihr Lebenswerk, die Ehrendoktorwürde, Aufnahme in die Theatre Hall of Fame, Liberty Medaille von New York City und einige andere.
Charlotte Heidenreich von Siebold
Charlotte Heiland wurde als Kind von dem Mediziner Damian von Siebold, dem zweiten Mann ihrer Mutter, adoptiert. Sie wuchs in einer Würzburger Chirurgen- und Gynäkologenfamilie auf; ihre Mutter erlangte 1807 den akademischen Grad einer Geburtshelferin und 1815 die Ehrendoktorwürde der Universität Gießen. Von ihr und ihrem Adoptivvater wurde Charlotte von Siebold unterrichtet. 1811/12 studierte sie in Göttingen bei dem berühmten Gynäkologen Friedrich Benjamin Osiander, Leiter der Entbindungsanstalt, der ihre Fähigkeiten öffentlich lobte. 1817 promovierte Charlotte von Siebold an der Universität Gießen. In ihrer Dissertation kritisierte sie den zu häufigen Gebrauch von Geburtszangen und erzürnte damit ihren Göttinger Hochschullehrer: „ich kann nicht stolzseyn, sie gebildet zu haben […] denn ich glaubte nie, daß beim Unterricht Characterloser Weiber und Mädchen viel Erfreuliches Herauskomme“ [nach Traudel Weber-Reich]. Heidenreich von Siebold wurde dennoch eine anerkannte Gynäkologin und wurde in große Fürstenhäuser zur Entbindung gerufen: 1819 holte sie die spätere Queen Victoria von England auf die Welt. Auch die Armenfürsorge war ihr ein wichtiges Betätigungsfeld.
Betty Heimann
Betty Heimann
29.03.1888 Wandsbek bei Hamburg
19.05.1961 Sirmione am Gardasee
erste deutsche Indologin
Betty Heimann machte 1913 ihr Abitur am Johanneum in Hamburg. Anschließend studierte sie Klassische Philologie, Sanskrit und Indologie in Kiel, Göttingen (bei Prof. Oldenberg), Bonn und Hamburg. 1919 folgte die Promotion in Kiel, 1923 die Habilitation an der Universität Halle. Schwerpunkt ihrer Forschungen war die indische Weltanschauung. 1923-1931 war sie als Privatdozentin für Indologie an der Universität Halle angestellt. 1931 war sie als nicht-beamtete außerordentliche Professorin für Indologie in Halle tätig, bevor sie 1931/32 eine Forschungsreise durch Indien tätigte. Nach antisemitischen Anfeindungen wurde sie 1933 aufgrund des sog. Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen und emigrierte nach Großbritannien. Betty Heimann unterrichtete dort erst Sanskrit an der School of Oriental Studies in London, 1935 dann in Rom und später an der Universität London. 1945 ging sie nach Ceylon (heute Sri Lanka) und lehrte an der University of Ceylon. 1949 folgte die Emeritierung und sie kehrte nach London zurück. 2003 zeigte das Linden-Museum in Stuttgart eine Ausstellung mit Fotografien Betty Heimanns aus Indien aus den Jahren 1931/32. In Halle ist eine Straße nach ihr benannt.
Marie Luise Hilger
Marie Luise Hilger
17.08.1912 Bremen
25.12.1996 (Sterbeort unbekannt)
Bundesrichterin und Professorin
Marie Luisa Hilger wuchs in Bremen und Heidelberg auf. Nach ihrem Abitur 1930 studierte sie Volkswirtschaft in Heidelberg und London und Jura in Heidelberg und Kiel. Von 1937 bis 1939 war sie als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Kiel tätig und promovierte 1939. Es folgten Arbeitseinsätze in Berlin, bevor sie 1942 ihr zweites Staatsexamen abschloss. Während der NS-Zeit gab es anscheinend keine beruflichen Möglichkeiten für sie als Juristin, weshalb sie in dieser Zeit in der studentischen Begabtenförderung arbeitete. Danach hatte sie verschiedene Lehraufträge inne, bis sie 1959 Bundesrichterin am Bundesarbeitsgericht Kassel wurde. Marie Luise Hilger war eine der ersten Frauen, die in ein Richteramt bei einem obersten Gerichtshof berufen wurden (Wahl 1954, Ernennung 1959. Anne Gudrun Meier-Scherling wurde 1955 ans BAG Kassel berufen). Ab 1962 war sie Honorar-Professorin an der Universität Göttingen. 1973 wurde sie Vorsitzende Richterin am BAG Kassel, 5. Senat – zuständig für Entgeltfortzahlung, Erziehungsurlaub, Mutterschutz und zentrale Fragen des Arbeitsvertragsrechts. Im Jahr 1969 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 1980 das große Verdienstkreuz.
Karen Horney
Karen Horney studierte 1906 bis 1911 Medizin in Freiburg, Göttingen und Berlin. Damit war sie 1908/09 eine der ersten ordentlich immatrikulierten Studentinnen Göttingens, nachdem auch in Preußen Frauen zum Studium zugelassen worden waren. Nach der Heirat 1909 bekam sie drei Töchter (Schauspielerin Brigitte Horney), bevor 1937 die Scheidung folgte. 1914 promovierte sie in Berlin. Von 1920 bis 1932 war sie als Psychotherapeutin und Dozentin am Psychoanalytischen Institut in Berlin tätig. Als frühe Kritikerin Freuds setzte Karen Horney der Theorie vom weiblichen Penisneid die These vom männlichen Gebärneid entgegen. Im Gegensatz zur gängigen Sichtweise, der Mensch sei ein asoziales, von Trieben beherrschtes Wesen, betonte sie die Bedeutung der Kultur und der vermittelten Normen und Werte: „Ich glaube daran, daß ein Mensch sich ändern kann, solange er lebt.“ Nach anfänglichen Versuchen einer eigenen Definition des „Weiblichen“ konzentrierte sie sich zunehmend auf die Analyse der konstruktiven Kräfte der Persönlichkeit jenseits der Geschlechterdifferenz. 1932 wanderte sie in die USA aus und war dort in Chicago und New York als Psychotherapeutin, Lehranalytikerin und Dozentin tätig. Nachdem sie 1941 aus dem New Yorker Institut austrat, gründete sie ein Ausbildungsinstitut mit Clara Thompson. Karen Horney war eine der bedeutendsten psychoanalytischen Theoretikerinnen des 20. Jahrhunderts.
Wilhelmine von Hugo
Wilhelmine von Hugo
12.02.1759 Hannover
14.03.1836 Göttingen
Wohltäterin
Wilhelmine von Hugo aus Hannover war eine Kanonisse des Klosters Wennigsen, einem evangelischen Damenstift südwestlich von Hannover. In ihrem Testament verfügte sie, dass aus einem Teil ihres Nachlasses in Göttingen eine Schulstiftung errichtet werden sollte. Die „von Hugoische Schulstiftung“ betrug 9.000 Rthr Gold und wurde 1942, sechs Jahre nach dem Tod von Hugos, dem neugegründeten Göttinger Frauenverein übertragen. Der Frauenverein konnte nun ein großes Bürgerhaus in der Neustadt 12 erwerben, das davor von Prof. Johann Friedrich Blumenbach und von Prof. Dr. Johann Christian Polycarp Erxleben, dem Sohn Dorothea Erxlebens, bewohnt worden war. Die ebenfalls vom Stiftungsgeld getragene Mädchenarbeitsschule in der Düsteren Straße 11 wurde „von Hugoische Vereinsschule“ genannt, der Besuch war kostenlos.
Die Stiftung besteht bis heute. Mit einer Straßenbenennung nach Wilhelmine von Hugo würde an eine Wohltäterin der Stadt und indirekt auch an die Geschichte des Göttinger Frauenvereins (1840-1956) erinnert.
Lotte Jacobi
Lotte Jacobi stammte aus einer westpreußischen Fotografen-Familie, die 1921 von Posen nach Berlin zog. Ab 1925 studierte sie in München Fotografie, dann Film. Ab 1927 beteiligte sie sich im Berliner Foto-Atelier der Familie. Bis 1933 fotografierte Lotte Jacobi für angesehene Magazine wie UHU, Die Dame, Der Querschnitt und stellte ihre Arbeiten in wichtigen Ausstellungen in Deutschland aus. „Himmlische Boheme“ nannte Jacobis Mitarbeiterin Elisabeth Röttgers die KundInnen, die im unkonventionellen Charlottenburger Atelier ein- und ausgingen – unter ihnen Albert Einstein, Käthe Kollwitz, Klaus und Erika Mann, Leni Riefenstahl und Mary Wigmann. 1930 stellte Jacobi der politisch aktiven Fotografin Tina Modotti ihr Atelier zur Verfügung. In Tokio bekam sie 1931 die Silbermedaille des „Royal Photograpy Salon“. 1932 portraitierte sie den KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann für Wahlplakate und die AIZ (Arbeiter Illustrierte Zeitung), bevor 1933 ihre Arbeiten gesperrt wurden und sie unter einem Pseudonym weiterarbeitete. Als die Repressalien gegen die Atheistin aus jüdischer Familie zunahmen, emigrierte sie 1935 in die USA, wo sie in New York und Deering/New Hampshire lebte. Seit 1947 experimentierte Jacobi mit abstrakter Fotografie. 1973 hatte sie ihre erste große Retrospektive.
Sofja Kowalewskaja
Sofia Kowaleskaja erhielt in Russland eine private mathematische Ausbildung. Sie unterhielt Kontakte zur nihilistischen Bewegung und reiste dank einer Scheinehe nach Heidelberg aus, wo sie Vorlesungen besuchte. In Berlin bekam sie Privatunterricht bei dem berühmten Mathematiker Karl Weierstraß. Mit dessen Unterstützung beantragte sie im Sommer 1874 die Promotion an der Georg-August-Universität und die Befreiung von der mündlichen Prüfung. Jede ihrer drei vorgelegten mathematischen Arbeiten war hervorragend. Sie promovierte in Abwesenheit mit „summa cum laude“ und war damit die erste Doktorin der Mathematik überhaupt. In Göttingen war sie nach Dorothea Schlözer die zweite Doktorin – allerdings ohne Göttingen je betreten zu haben. Ihre Freundin, die Chemikerin Julia Lermontova, zog Kowalewskajas Tocher mit auf. Ab 1882 war sie als Privatdozentin an der Universität Stockholm tätig. 1888 bekam sie den Bordin-Preis der Pariser Akademie der Wissenschaften verliehen und wurde daraufhin 1889 unbefristete Ordinaria in Stockholm. Sie war damit die erste ordentliche Professorin in Europa. Kowalewskaja war auch schriftstellerisch tätig, sie setzte sich zeitlebens für das Recht der Frauen auf Bildung ein. Die Alexander von Humboldt-Stiftung verleiht einen hochdotierten Sofja Kovalevskaja-Preis für die besten Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler aus dem Ausland.
Gerda Krüger
Gerda Krüger
03.06.1900 Hannover
24.05.1979 Starnberg
Bibliothekarin, Rechtsanwältin
Gerda Krüger absolvierte 1919 ihr Abitur in Hannover. Sie studierte anschließend Katholische Theologie, Rechtswissenschaft, Philosophie, Geschichte und orientalische Sprache in Münster, München und Berlin. 1923 promovierte sie in Münster und erhielt 1925 das 1. Staatsexamen. Nach dem Bibliotheksdienst in Marburg, Münster und Königsberg war sie ab 1935 für die Universitätsbibliothek Göttingen tätig. 1937 reichte sie ihre Habilitationsschrift „Rechtsstellung der vorkonstantinischen Kirchen“ ein; das Habilitationskolloquium wurde jedoch trotz mehrerer zustimmender Gutachten durch die anwesenden Nationalsozialisten zum Scheitern gebracht. Gerda Krüger versuchte, den rassenpolitischen Fragen auszuweichen, wurde aber gezwungen, vom Verfahren zurückzutreten. Die Ausrichtung ihrer Arbeit, ihr Geschlecht und der Kontakt mit entlassenen Bibliothekaren jüdischer Herkunft führten 1940 zur Zwangspensionierung aus dem Bibliotheksdienst. 1939 erfolgte in München die Promotion Dr. jur., 1944 das 2. juristische Staatsexamen. 1945 verlangte Gerda Krüger Wiedergutmachung: das Habilitationskolloquium in Göttingen wurde 1946 wiederholt und ihr wurde der Titel Dr. habil. zugesprochen, die Venia legendi nicht. 1948 wurde sie letztlich als Rechtsanwältin zugelassen.
Sabine Leibholz-Bonhoeffer
Sabine Leibholz-Bonhoeffer
geb. Bonhoeffer
04.02.1906 Breslau
07.07.1999 Göttingen
Autorin, Zwillingsschwester Dietrich Bonhoeffers
Sabine Leibholz-Bonhoeffer ist in Breslau und Berlin aufgewachsen. 1926 heiratete sie den Juristen Gerhard Leibholz (1901- 1982), mit dem sie 1931 nach Göttingen zog. Obwohl er aufgrund seiner jüdischen Herkunft angefeindet wurde, blieb Gerhard Leibholz 1933 als „Frontkämpfer“ zunächst im Amt, bis Studenten in SA-Uniform seine Vorlesungen boykottierten. 1938 emigriert das Paar über die Schweiz und Frankreich nach Oxford. 1945 wird Leibholz-Bonhoeffers Zwillingsbruder Dietrich Bonhoeffer im KZ ermordet. Zwischen 1948 lebte das Ehepaar erst in Göttingen, dann in Karlsruhe (dort war Leibholz Verfassungsrichter) und zuletzt wieder in Göttingen. In ihrem 1968 erstmals erschienenen und seitdem vielfach wieder aufgelegten Buch „vergangen – erlebt – überwunden. Schicksale der Familie Bonhoeffer“ setzte sich Sabine Leibholz-Bonhoeffer auch mit dem Emigrantenschicksal auseinander.
Es gibt eine Gedenktafel an ihrem ehemaligen Wohnhaus Herzberger Landstraße 55 für Dietrich Bonhoeffer, der hier 1938 einige Wochen verbrachte, nachdem er Sabine Leibholz-Bonhoeffer und ihrem Mann zur Flucht verholfen hatte. Ihr Bruder Karl-Friedrich Bonhoeffer erhielt ebenfalls eine Gedenktafel in Göttingen, er war Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie. Ihre Tochter Marianne Leibholz lebt seit 1982 wieder in Göttingen.
Sophie Mejer
Sophie Mejer
(gesprochen Meier)
02.11.1835 Clausthal
03.07.1911 Göttingen
Lehrerin, Vorsitzende des „Vereins Christlicher Lehrerinnen“
Sophie Mejer besuchte die Höhere Töchterschule in Goslar. Hinzu kam Unterricht durch den Vater und autodidaktische Studien. Nach einem Parisaufenthalt lebte sie zeitweise bei ihrem wesentlich älteren Bruder Otto Mejer, der Professor in Göttingen war. 1868 legte sie die staatliche Prüfung an der Lehrerinnen-Bildungsanstalt Hannover ab und war von 1869 bis 1903 Lehrerin / Oberlehrerin an der städtischen Höheren Töchterschule in Göttingen, obwohl Frauen in Preußen regulär erst 1894 zum Oberlehrerinnenberuf zugelassen wurden. Mit ihrer Schwester Olinde (1834-1919) war Sophie Mejer 1883 Mitbegründerin des „Vereins Christlicher Lehrerinnen“, ab 1885 war sie dessen Vorsitzende. Der Verein organisierte um 1900 etwa 850 Lehrerinnen aus Südniedersachsen mit Hannover, Braunschweig und Göttingen und widmete sich den Arbeitsbereichen Stellenvermittlung, Weiterbildung und der Errichtung eines Feierabendhauses für Lehrerinnen. 1893 richtete sie mit Anna Vorwerk Oberlehrerinnen-Kurse in Göttingen ein, die von Universitätsdozenten gehalten wurden und von mehr als 350 Frauen besucht wurden. Sophie Mejer und der Verein leisteten damit einen Beitrag zur Öffnung der Universitäten: 1896 wurden Frauen in Göttingen offiziell als Gasthörerinnen zugelassen, 1908 als ordentliche Studentinnen.
Bertha von Moeller
Bertha von Moeller
29.09.1877 Berlin
25.12.1942 Potsdam
Oberin, Mitglied der Bekennenden Kirche
Bertha von Moeller besuchte eine höhere Töchterschule mit Lehrerinnenseminar in Berlin. In Göttingen absolvierte sie von 1893 bis 1903 einen dreijährigen wissenschaftlichen Fortbildungskurs. Bertha von Moeller war damit eine von mehr als 350 Frauen, die die Oberlehrerinnen-Kurse in Göttingen besuchten, die 1893 vom Verein Christlicher Lehrerinnen eingerichtet worden waren. Die Kurse wurden von Universitätsdozenten gehalten, die Leitung hatte die Vereinsvorsitzende Sophie Mejer inne. Ab 1903 bildete Bertha von Moeller als Oberlehrerin im Lehrerinnen-Seminar Augustenburg auf der Insel Alsen Volksschullehrerinnen aus. Ab 1910 war sie Oberin im Kaiserin-Augusta-Stift in Potsdam. Sie setzte sich deutschlandweit für die Erweiterung des Erdkundeunterrichts und eine bessere Lehrer*innenausbildung ein. 1929 konnte sie im Lyzeum eine Oberstufe einrichten, musste aber 1932 als Oberstudiendirektorin auf ihr Amt als Oberin verzichten. Bertha von Moeller engagierte sich seit September 1934 in der Bekennenden Kirche gegen die Gleichschaltung der evangelischen Kirchen. Viele Mitglieder erlitten Sanktionen, es kam zu Verhaftungen und Morden. 1935 folgte die vorzeitige Pensionierung, dennoch führte sie ihr Engagement in der Bekennenden Kirche fort.
Dorothea vor Mohr
Dorothea vor Mohr
16.06.1876 Hamburg
Todesdatum unbekannt
Abgeordnete im Göttinger Bürgervorsteherkolloquium
Dorothea vor Mohr wurde am 16.06.1876 Hamburg geboren. Sie war Oberlehrerin und saß ab Anfang Dezember 1918 im geschäftsführenden Vorstand der DDP-Ortsgruppe Göttingen. Sie wurde im Jahr 1919 zusammen mit Henriette Lehmann, Luise Stegen und Elisabeth Freitag-Winter als eine der ersten Frauen als Abgeordnete in das Göttinger Bürgersteherkolloquium gewählt. Mehr ist über sie leider nicht bekannt.
Marie Oesterley
Marie Oesterley
01.10.1842 Göttingen
16.08.1916 Hannover
Malerin
Marie Oesterley erhielt Malunterricht bei ihrem Vater Carl Wilhelm Oesterley, Maler und Kunsthistoriker, und bei ihrem Bruder Carl A. H. Oesterley. Sie arbeitete in Karlsruhe und München und beschäftigte sich dort vorrangig mit Portraitmalerei, Blumen und Stilleben. Eines ihrer Werke befindet sich in der Niedersächsischen Landesgalerie.
Annemarie Rübens
Annemarie Rübens
24.05.1900 Banfield / Provinz Buenos Aires, Argentinien
08.05.1991 Göttingen
Theologin, Widerstandskämpferin, Friedensaktivistin
Annemarie Rübens studierte Theologie in Marburg und absolvierte 1927 ihr Fakultätsexamen. Sie war Mitglied im Verband Evangelischer Theologinnen und ab 1930 in der Vereinigung Evangelischer Theologinnen. 1932 vollendete sie ihr 2. theologisches Examen im Rheinland und gab anschließend Religionsunterricht an der Berufsschule. Sie wurde 1933 aus politischen Gründen aus dem Dienst entlassen (SPD-Mitglied, Fürbitte für Juden) und flüchtete im Juli 1933 aus Deutschland. Ab 1936 war sie in Uruguay als Gründerin und Leiterin eines Kinderheims für jüdische Flüchtlinge aus Deutschland tätig. Nachdem sie 1952 bis 1956 vergeblich versuchte, in der deutschen Kirche wieder Fuß zu fassen, kehrte sie nach Uruguay zurück. Ab 1973 nahm sie Kinder von politisch Verfolgten der Militärdiktatur Uruguays auf und kehrte nach 1975 selbst als politisch Verfolgte in die Bundesrepublik zurück. Hier lebte sie in Tübingen und Göttingen und engagierte sich noch im hohen Alter in der Friedensbewegung.
Iris Runge
Iris Runge
01.06.1888 Hannover
27.01.1966 Ulm
Chemikerin, Technomathematikerin
Iris Runge studierte ab 1907 an der Universität Göttingen, an der ihr Vater Prof. Dr. Carl Runge Mathematik lehrte. Von 1910 bis 1911 studierte sie in München, bevor sie 1912 ihr Lehramtsstaatsexamen für Physik, Mathematik und Geografie in Göttingen absolvierte. Danach war sie in der Lehre an höheren Schulen tätig. Zwischen 1918 und 1920 studierte sie erneut und schloss ein weiteres Lehramtsstaatsexamen in Chemie ab. 1921 promovierte sie in Physikalischer Chemie in Göttingen und war ab 1923 Technomathematikerin bei Osram in Berlin (Glühlampenforschung). Ihr Ansatz „Berechnen statt Stöpseln“ wurde zum geflügelten Wort. Ab 1929 forschte sie im Bereich der Elektronenröhren, bevor sie 1939 in den Bereich der Telefunken wechselte, wo Runge bis 1945 arbeitete. Sie veröffentlichte zahlreiche Publikationen über die Bedeutung der Mathematik für die Lösung physikalisch-technischer Probleme und verfasste das international erste Lehrbuch über die Anwendung mathematischer Statistik auf Probleme der Massenfabrikation. 1947 folgte die Habilitation in Theoretischer Physik an der Humboldt-Universität Berlin, wo sie ab 1949 Dozentin und von 1950 bis 1952 Professorin mit Lehrauftrag war. Iris Runge war zeitweise Mitglied des ISK unter Leonard Nelson, dann SPD-Mitglied. Sie verfügte über eine kritische Haltung zum Nationalsozialismus.
Wiltraut Rupp-von Brünneck
Wiltraut Rupp-von Brünneck
geb. von Brünneck
07.08.1912 Berlin-Lankwitz
18.08.1977 Karlsruhe
Bundesverfassungsrichterin
Nach ihrem Abitur 1931, besuchte Wiltraut Rupp-von Brünneck die landwirtschaftliche Frauenschule. Von 1932 bis 1936 studierte sie dann Jura in Berlin, Königsberg, Göttingen und Heidelberg. Ihr Bruder, ebenfalls Jurist, zweifelte in seiner Dissertation 1933 die Rechtmäßigkeit des Ermächtigungsgesetzes an. 1936 absolvierte Wiltraut Rupp-von Brünneck ihre 1. juristische Staatsprüfung, von 1939 bis 1941 war sie als Flugmelderin bei der Wehrmacht tätig. Die zusammengestellten Materialien für ihre Dissertation wurden bei einem Luftangriff vernichtet. 1941 bestand sie ihre 2. juristische Staatsprüfung und arbeitete anschließend bis 1943 als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Berlin. Von 1943 bis 1945 war sie im Grundbuchreferat im Reichsjustizministerium tätig und von 1945 bis 1946 als Amtsrichterin. Unter Ministerpräsident Georg August Zinn (1901–76), der sie förderte, war sie ab 1947 Referentin im Hessischen Justizministerium. Zwischen 1948 und 1949 war sie beim Parlamentarischen Rat an der Ausarbeitung des Grundgesetzes beteiligt, u.a. formulierte Wiltraut von Brünneck mit Elisabeth Selbert die Derogationsfrist für den Gleichberechtigungsartikel. 1963 wurde Wiltraut Rupp-von Brünneck als zweite Frau nach Erna Scheffler (1893-1983) Richterin am Bundesverfassungsgericht (1. Senat). Die Menschenwürde und die Grundrechte standen im Mittelpunkt ihrer richterlichen Tätigkeit. Mehrfach gab sie Sondervoten ab, u.a. bejahte sie 1975 mit Helmut Simon die Verfassungsmäßigkeit der Fristenlösung für den Schwangerschaftsabbruch. 1977 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Universität Frankfurt am Main verliehen.
Luise Syring
Luise Syring
26.03.1884 Klein Lengden
30.04.1949 Göttingen
Abgeordnete im Göttinger Bürgervorsteherkolloquium
Luise Syring wurde am 26.03.1884 in Klein Lengden als Luise Vollmer geboren. Seit dem 4. März 1925 war sie verheiratet mit dem Handelsgehilfen Bernhard Syring. Sie war Vorsitzende der sozialdemokratischen Frauenarbeitsgemeinschaft für politische Bildung und von 1924-33 die einzige weibliche Abgeordnete im Bürgervorsteherkollegium. Luise Syring verstarb am 30.04.1949 in Göttingen.
Anna Teichmüller
Anna Teichmüller
11.05.1861 Göttingen
06.09.1940 Mittel-Schreiberhau (Riesengebirge)
Anna-Teichmüller-Platz
beschlossen: 11.12.1998
nachher: nicht zur Ausführung gekommen.
Anna Teichmüller wurde in Göttingen als ältestes Kind des Philosophen Gustav Teichmüller geboren. Über ihre Musikausbildung lässt sich nur wenig in Erfahrung bringen. Ihre Freundschaft zu dem Dichter und Dramatiker Carl Hauptmann, einem Bruder von Gerhart Hauptmann, brachte die endgültige Hinwendung zur Musik. Sie folgte ihm von Jena nach Schreiberhau. Ihr kompositorisches Werk umfasst 70 Opusnummern, darunter 147 Lieder, davon ein Drittel nach Texten von Carl Hauptmann. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Musiklehrerin im Schreiberhauer Kinderheim schrieb sie mehrere Märchenspiele, die als verschollen gelten müssen. An größeren Werken schrieb sie eine Osterkantate, eine Oper und eine große Messe, welche 1924 in der Garnisonskirche zu Berlin uraufgeführt wurde. Ein großer Teil ihrer Originalpartituren ist verschollen. 1998 war bereits eine Straßenbenennung nach Anna Teilmüller in Planung. Durch geänderte Bauplanung ist dieser beschlossene Straßenname nicht zur Ausführung gekommen und keine Straßenschilder sind aufgestellt worden.
Johanne Charlotte Unzer
Aufgewachsen in Halle wurde Johanne Charlotte Unzer besonders von ihrem Onkel, dem Philosophen und Mediziner Johann Gottlob Krüger, gefördert. Dieser veröffentlichte 1751 in Halle ihr Werk „Grundriß einer Weltweißheit für das Frauenzimmer“. Darin fasste sie für ein Laienpublikum Grundbegriffe und philosophische Diskurse in deutscher Sprache zusammen. Sie wollte vor allem Frauen ermutigen, sich dem philosophischen Denken zu widmen, denn „Philosophieren ist nicht schwer, man braucht nur einen guten natürlichen Verstand und ein wenig Überlegung“ (Unzer 1751). Johanne Charlotte Unzer gilt als erste deutsche Philosophin, die ein solch geschlossenes Werk vorgelegt hat. 1753 wurde sie zum Ehrenmitglied der Göttinger Deutschen Gesellschaft, die von 1738 bis 1792 bestand und kulturpatriotisch motiviert auf die Entwicklung des Deutschen als Kultur- und Standardsprache zielte. Die Deutsche Gesellschaft stand in enger personeller Verbindung zur jüngst gegründeten Universität; angesehene Sprachgelehrte, Schriftsteller, Erzieher und Dichter waren darin versammelt. Unzer war das elfte weibliche Ehrenmitglied (von 282 Ehrenmitgliedern) in Göttingen, das für seine Dichtkunst oder gelehrten Werke geehrt wurde. Sie war auch Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft in Helmstedt und wurde dort 1753 zur kaiserlich gekrönten Poetin. Unzer pflegte eine enge Freundschaft zu Polyxena Büsching.
Mathilde Vaerting
Mathilde Vaerting
10.01.1884 Messingen (heute Freren bei Lingen)
06.05.1977 Schönau im Schwarzwald
erste Professorin der Erziehungswissenschaften,
zweite Professorin in Deutschland
Matilde Vaering besuchte die Höhere Mädchenschule in Köln und absolvierte 1903 das Lehrerinnenexamen. Von 1907 bis 1911 studierte sie Mathematik, Philosophie, Physik und Chemie in Bonn, München, Marburg und Gießen. 1910 bestand sie die Oberlehrerinnenprüfung und promovierte 1911 in Bonn. Ab 1913 war sie Oberlehrerin in Berlin Neukölln und studierte währenddessen Medizin. In diesem Kontext publizierte sie zur Reformpädagogik und zur Sexualreform. 1919 wurde ihr Habilitationsgesuch in Berlin abgelehnt. Ihre zweibändige, geschlechterpsychologische Studie „Neubegründung der Psychologie von Mann und Weib“ veröffentlichte sie 1921. Vaerting sah das Verhältnis von Frauen und Wissenschaft und die geschlechtsspezifischen Zuschreibungen intellektueller Kompetenz als „reines Machtprodukt“. 1923 wurde sie vom Volksbildungsministerium auf einen neu eingerichteten Lehrstuhl an der Universität Jena berufen (ohne Habilitation). Sie war nach Margarethe von Wrangell die zweite ordentliche Professorin in Deutschland, die erste Ordinaria der Erziehungswissenschaften und die erste Professorin mit einem Schwerpunkt „Geschlechterverhältnis“. Vor 1933 gab es in Deutschland nur zwei ordentliche Professorinnen. Aufgrund des sogenannten „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurde sie 1933 entlassen und erhielt ein Publikations- und Ausreiseverbot. Berufungen in die USA und die Niederlande durfte sie nicht annehmen. 1945 zog sie schließlich nach Göttingen. Ihre Kontaktversuche zur Göttinger Universität bzw. zu Hermann Nohl scheiterten, Bewerbungen an hessischen Universitäten ebenfalls. 1952 ging sie nach Darmstadt und gründete dort die Zeitschrift für Staatssoziologie. Später lebte sie in Schönenberg im Schwarzwald.
Anna Vorwerk
Anna Vorwerk
01.04.1839 Königslutter
18.11.1900 Braunschweig
Lehrerin, Pionierin der Frauenbildung in Göttingen
Aufgewachsen ist Anna Vorwerk in Holzminden und Wolfenbüttel. Unter anderem erhielt sie eine Klavierausbildung bei Johannes Brahms und Clara Schumann. Später war sie Gründerin der Frauengruppe des Gustav-Adolf-Vereins. Sie machte die Bekanntschaft mit der anerkannten Fröbel-Pädagogin Henriette Schrader-Breymann, deren Bildungsanstalt für Mädchen 1865 nach Wolfenbüttel verlegt wurde. Anfangs arbeiteten die beiden eng zusammen. In Teilen grenzte sich Vorwerk später von der Fröbelpädagogik ab und verfolgte einen pragmatischen Ansatz, um für Mädchen und Frauen neue Schulungs- und Erwerbsmöglichkeiten zu erreichen. Sie baute in Wolfenbüttel eine Höhere Mädchenschule und eines der ersten Lehrerinnenseminare auf. Angeregt vom Göttinger Vorbild eines Feierabendhauses gründete sie ein Altersheim für Lehrerinnen. Die volle Gleichberechtigung und die vollständige Anerkennung von Oberlehrerinnen lehnte die konservativ ausgerichtete Anna Vorwerk im Gegensatz zu Helene Lange ab. Erfahrene Lehrerinnen ab 27 Jahren wollte sie zu Oberlehrerinnen weiterbilden und gewann für dieses Vorhaben die Unterstützung der Göttinger Universität und des „Vereins Christlicher Lehrerinnen“ um Sophie Mejer, die die Leitung der neuen Göttinger Oberlehrerinnenkurse übernahm. Zwischen 1893 und 1915 besuchten über 350 Frauen die Kurse. Der Kontakt zwischen Universitätsdozenten und Schülerinnen bereitete auch die Öffnung der Göttinger Universität für Gasthörerinnen 1896 vor.
Sidonia Hedwig Zäunemann
Sidonia Hedwig Zäunemann war die Tochter eines Juristen. Ihr Wissen über Literatur eignete sie sich selbst über autodidaktische Studien an. In ihren poetischen Werken verurteilte sie den männlichen Anspruch auf alleinige Bildung und Ehren scharf. Selbstbewusst verwies sie auf ihr eigenes Beispiel, um die Verstandeskraft des Weibes und seine Schreibkunst zu beweisen. Sie forderte ihre Zeitgenossinnen auf, sich gegen männliche Bevormundung zu wehren und in allen gesellschaftlichen Bereichen zu wirken. Sidonia Zäunemann lebte selbstbestimmt und unkonventionell – für ihre Ausritte trug sie Männerkleidung. 1737 fuhr sie als erste Frau in das Bergwerk Ilmenau ein. In einem ihrer Gedichte rühmte sie die neugegründete Georg-August-Universität. 1738 erhob deren Prorektor die Dichterin zur kaiserlich gekrönten Poetin; Diplom und Ehrenkranz wurden ihr im Rathaus von Erfurt feierlich überreicht. Sidonia Zäunemann war nach Christiane Marianne Ziegler, ihrem Vorbild, die zweite kaiserlich gekrönte Poetin Deutschlands. Ein großer Teil ihres umfassenden Werkes wurde 1738 als „Poetische Rosen in Knospen“ gedruckt. Im Winter 1740 brach unter den Hufen ihres Pferdes eine Brücke über der Gera ein und sie ertrank.